Dass der Österreicher, Helmut Hafenscher, alias „Hafi“ die hohe Kunst des Motorradveredelns beherrscht, das hat er 2018 eindrucksvoll bewiesen. Auf der Custombike-Show in Bad Salzuflen haben die beiden, von ihm aufgebauten Bikes, jeweils einen ersten Platz errungen. Die Freude über den zweifachen Sieg war natürlich groß und dementsprechend hoch motiviert ging der Hobbyschrauber, 2019, auf die Suche nach einem neuen Projekt. Während Hafi früher stundenlang die Internet Foren nach einer brauchbaren Basis durchpflügte, war plötzlich alles anders. Wildfremde Personen, die von Hafis Erfolg hörten, boten ihm ihre Bikes an. Meist waren dies Motorräder, die schon ein paar Jahre in Garagen herumstanden und nicht mehr gebraucht wurden, oder es handelte sich um das Ende eines misslungenen Umbauversuchs. Den Zuschlag fürs neue projekt erhielt ein Bike das Beides vereinte – jahrelang stand die HD Ironhead nach offensichtlich gescheiterten customizing, schon in einem Schuppen und wartete auf eine zweite Chance.
Nach Angaben des Vorbesitzers, wäre die Harley bis am Schluss perfekt gelaufen. Ein Blick ins Innere des Motors sagte jedoch etwas anderes. Der Motor war ein komplettes Wrack. Lager waren ausgeschlagen, die Welle des Kickstarters hatte ein Spiel von gut fünf Millimeter, als Ursache des Ölverlusts wurde ein Riss im Motorblock festgestellt und von einer tolerierbaren Kompression waren die Harley weit entfernt. Kurzum der Motor war ein Totalschaden und musste komplett neu aufgebaut werden. Grundsätzlich stellen diese arbeiten für den österreichischen HD Freak kein Problem dar, doch sie waren finanziell nicht eingerechnet.
Ganz anders sah die Sache beim Fahrwerk aus. Der Rahmen aus dem Jahr 1978 war grundsätzlich unverbastelt und original. Dies sollte nicht lange so bleiben. In Hafis Kopf schwebte die Idee eines sehr schlanken, klassischen Styl`s. Dazu war es jedoch nötig das Rahmenheck zu verschmälern. Knapp 30 Millimeter wurden auf beiden Seiten entfernt und dann alles wieder fachgerecht verschweißt. So gelang es Hafi, eine zierliche Linie vom Heck bis zur Front zu schaffen. Natürlich zieht solch eine Aktion eine Vielzahl an anderen Arbeiten mit sich. Nur gut, dass sich in Hafis kleiner Werkstatt auch eine Drehbank befindet.
Da sich über die Jahre ein großes Ersatzteillager angesammelt hat, konnte der Österreicher aus dem Vollen wählen. Eine eigentlich neuwertige wunderschön verchromte Springergabel bekam den Zuschlag. Stoßdämpfer mit Cover wurden ans Heck geschraubt. In Hafis Sammelsurium befanden sich auch eine Unzahl an Benzintanks. Auch hier bekam das schmalste Teil den Zuschlag. Den Öltank fertigte er jedoch selbst. Zwei Hydraulikpumpen eines Aufzugs wurden dazu verschweißt und auch gleich mit einer außenliegenden Füllanzeige versehen. Der Auspuff wurde ebenfalls in Eigenregie gefertigt. Alte Fishtail Endtöpfe kürzte Hafi brutalst aufs Minimum und verband diese mit den Eigenbau –Krümmern, in denen Dämpfer eingelassen wurden.
Hafi hatte noch einen alten S&S Vergasern herumliegen. Diesen schraubte er an den selbst gefertigten 90 Grad Manifold. Der Luftfilterdeckel stammt aus einer Honda 750 Four und war ursprünglich ein Ölfiltercover. Fußrasten, Griffe sowie den Kickstarter fertigte Hafi an der Drehbank. Das Cover für die hintere Felge stammt aus Frankreich und war eigentlich eine Zierkappe eines Citroen DS. Die Sitzplatte aus Alu waren ein leichtes und rasch gefertigt. Eigenbau ist natürlich auch der Heckfender, der in „Duck-Style“ das Hinterteil in Szene setzt. Duck = Ente = Antn in österreichischen Dialekt – somit war der Name des Bikes auch gefunden – ANTN.
Der Rahmen wurde sandgestrahlt und anschließend tiefschwarz lackiert.
Als das Bike wieder fertig auf beiden Rädern stand, mit der wunderschön verchromter Gabel den glänzenden Dämpfern, den Chromfelgen und dem wieder in Stand gesetzten und hochglanzpolierten Motor, war Hafi jedoch mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Das Bike war grundsätzlich fertig, doch es fehlt etwas. Es war ein wie man so schön sagt, nur ein „schönes Bike“ – mehr jedoch nicht. Es faszinierte, wie Hafis bisherige Projekte, eben nicht.
Gut zehn Tage stand die Harley, fertig auf der Hebebühne, ehe Hafi die Inspiration fand – alles nochmals zerlegen. Steam Punk Style – das war sein Plan.
Alle glänzenden Chromteile kamen zum Sandstrahler und wurden „entglanzt“. Mit dem Propangas-Flämmer bearbeitete er die Teile und erzeugte so ein Farbenspiel von Blaugrau (340 Grad), Purpurrot (270 Grad) bis Gelbweiss (200 Grad). Als Abschluss wurde eine Schicht Ovatrol aufgetragen und sorgt so für eine Schutzschicht. Der Rahmen wurde mit „Scotch Brite“ an einigen Stellen bis zur Grundierung angeschliffen und dann wider mit mattem Klarlack überzogen. Die auf Hochglanz polierten Teile des Motors wurden mit Schleifpapier wieder matt geschliffen und teilweise mit schwarzem Motorlack überzogen. Selbst gefertigte Öl und Benzinleitungen fügen sich in das Gesamtbild perfekt ein und gemeinsam mit den Stoffummantelten Kabeln entstand eine klassische Linie. Lederkünstler Nilo wurde mit der Anfertigung des ziemlich schrägen Sitzes beauftragt – das Ergebnis – einfach geil.
Hafis Frau, Margit sorgte für ein perfektes Finish. Die Hobby Airbrusherin versuchte sich erstmals an einer Pinseltechnik. Sie schuf das freche Tankdesign und auch die Pinstriping am Heck.
Als das Bike, zum zweiten Mal, wieder vollständig zusammengebaut auf der Hebebühne stand, war auch Hafi zufrieden und einer Probefahrt stand nichts mehr im Weg. Der Motor lief perfekt, Auspuffsound war OK, und auch in Punkto Sitzkomfort hatte Hafi alles richtig gemacht. Allerdings zeigte sich jetzt ein massives Problem – der 1,98 große und weit über hundert Kilo schwere Customicer passt nicht auch die eher zierliche Ironhead. Nur gut, dass Hafis Frau Margit und auch deren gemeinsame Tochter auch die Fahrlizenz für einspurige Fahrzeuge besitzen, aber das ist eine andere Geschichte….
Story: GAU
Foto: Fotoladen Neunkirchen